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In Memoriam Wilhelm Ritter

Wilhelm Ritter, Carillonneur in Kassel, Aschaffenburg und seit kurzem auch Berlin verstarb nach kurzer schwerer Herzkrankheit am 29.10.2018 in Kassel im Alter von 67 Jahren.

In Trauer um ihn teilen wir seinen Tod all unseren und seinen Freunden in Deutschland und in aller Welt mit. Wilhelm Ritter war Gründungsmitglied der Deutschen Glockenspielvereinigung und seither eine prägende Gestalt in der deutschen Carillonszene. Seine Begeisterung für das Carillon war bemerkenswert, geradezu stürmisch. Uns, die wir ihm begegneten, hat er inspiriert, ermutigt und nicht selten auch produktiv provoziert. Wir gedenken seiner in großer Dankbarkeit.

Ritter hat ein Leben lang musiziert. Seit seinem 12. Lebensjahr spielte er Orgel, saß oft auf der Orgelbank für die Gottesdienste in der Kasseler Karlskirche und der Martinskirche, wo er im vorigen Jahr mit der Gemeinde sein 50-jähriges Orgeljubiläum feierte.
Mit 21 Jahren erlernte er bei Karl-Friedrich Waack in Hannover das Carillon und studierte später an der Koninklijke Beiaardschool Mechelen, wo er im Jahre 2000 mit dem Enddipolm abschloss. Wofür sein Herz mehr brannte, ob für die Orgel oder das Carillon, wird er kaum für sich selbst entschieden haben. Für das Carillonspiel in Deutschland war er ein Glücksfall. An der Karlskirche in Kassel spielte er 46 Jahre lang regelmäßig das dortige Carillon. Auch in Aschaffenburg war Wilhelm Ritter Stadtcarillonneur. Er organisierte die dortigen Glockenfeste und veranstaltete später auch in Kassel Glockenfestivals. Das jüngst wieder errichtete Carillon in der Berliner Parochialkirche wäre ohne seine Mitwirkung nicht das Instrument geworden, was es heute wieder ist. Viele in aller Welt, vor allem in Deutschland kannten Wilhelm Ritter als vitale und aufrechte Persönlichkeit und als Künstler mit seinem virtuosen, nicht selten auch frommen Spiel.
Es ist bedeutungsvoll, dass Wilhelm Ritter im Hauptberuf Pädagoge war. Er unterrichtete an der Kasseler Albert-Schweitzer-Schule Deutsch, Musik und Kunst. Wer ihn persönlich kannte, weiß, dass er auch das mit Leidenschaft tat.
Auch wir Carillonneure erlebten ihn als Pädagogen: als einen genialen Spieler, der nicht allein den großen Auftritt suchte, sondern andern vermitteln wollte, was ihn selbst begeisterte. Er war ein sehr zugewandter Musiker!
Unvergessen bleibt sein Engagement bei den Workshops in Hannover, wo er viele von uns das Carillon erst richtig lieben lehrte. Dank sei ihm dafür. Wie taktvoll konnte dieser robuste Musiker sich einem Anfänger widmen, wenn dieser die ersten Glockentöne eines Chorals spielen sollte. Ich glaube in Deutschland spielen nicht wenige nach der Schule Ritter. Bei uns in Kiel z. B. ist das so. Wir sehen uns als Ritterschüler. Er war es, der vor 20 Jahren das Konzert zur Einweihung des Kieler Carillons gespielt hatte mit hier nie gehörten Klängen, er hat uns seither gefördert, ermutigt, ermahnt: Sein munterer Ruf: „Üben, üben, üben!“ ist bei uns geflügeltes Wort geblieben. Aber nicht nur hier. An vielen Orten hat man ihn so erlebt: u. a. in Weilbach, in Hamburg, in Berlin, in Chemnitz und in Halle, wo Wilhelm Ritter bis zuletzt sechs Spieler ausbildete. Am meisten erlebte von all dem wohl Manfred Hahn, seit Jahrzehnten getreuer Choralspieler in Kassel.
Als Publizist hat Ritter für die deutsche Carillonkultur ebenfalls Bedeutung. Er entdeckte und publizierte das umfangreiche Werk der Darmstädter Glockenspieler, die Choralbearbeitungen von Georg Gottfried Aßmus (1744-1790) und der Familie Strauß (1790-1855); ferner publizierte er die gesamten Glockenkompositionen des Berliner Spielers Wilhelm Bender (1911-1944). Und er komponierte selbst mit Engagement. Ich kenne vor allem viele seiner grandiosen Partiten über lutherische Choräle, die ihn faszinierten, oder Humoresken über Kinderlieder, Bearbeitungen herrlicher Melodien aus der Opernliteratur und Variationen, die er sich für viele Gelegenheiten seiner Konzerte musikalisch überlegte. Möge es gelingen, manches davon später noch zu publizieren.

Wir schließen unseren Nachruf mit einem Beileidsgruß an Frau Gabriela Ritter, Wilhelm Ritters Ehefrau, im besten Sinne der Mensch an seiner Seite.

Gerd Heinrich, Carillonneur in Kiel,
im November 2018 im Auftrag und im Namen
der Deutschen Glockenspielvereinigung